Ratsbibliothek (Berlin, Ost)

Person/Körperschaft

Identifier/Permalink:
Entity 183
Address:

Tätigkeit/Titel/Branche:
Bibliothek
Gründung: 1934 in Berlin, Umbenennung der Magistratsbibliothek in Ratsbibliothek
Sonstiges: 1955 in Berlin, als Fachabteilung der Berliner Stadtbibliothek angeschlossen
Identifikation Person/Körperschaft: ja
NS-verfolgt: Nein
Eigentümer: nein
GND: http://d-nb.info/gnd/2018528-5
Notiz: "Durch die Bildung von Groß-Berlin im Jahre 1920 erweiterte sich der Aufgabenbereich der Magistratsbibliothek, die 1934 in Ratsbibliothek umbenannt wurde, beträchtlich. Ihr Bestand war 1941 auf 130.000 Bde gestiegen. Da bei der Zerstörung des Berliner Rathauses fast die gesamte Registratur der Ratsbibliothek vernichtet wurde, ist im einzelnen nicht mehr festzustellen, in welche Auslagerungsorte die Bestände der Bibliothek gebracht worden sind. [...]

Da bei der Rückkehr der verlagerten Buchbestände die Ratsbibliothek bereits wieder als Behördenbibliothek tätig war und einen neuen Bestand aufgebaut hatte, wurde entschieden, den Altbestand der Magistratsbibliothek zunächst gesondert aufzustellen. Unbegreiflicherweise blieb es aber nicht dabei, sondern der in fast 150 Jahren organisch gewachsene Bestand wurde regelrecht als Steinbruch benutzt. Zahlreiche inzwischen vorhandene Teilbestände (Berlin-Bibliothek, Alte Fachsammlung, Städtesammlung und die Wörterbuchsammlung) wurden aus dem Altbestand aufgestockt, andere Teile wurden beim Umzug der Bibliothek vom Ermelerhaus in den Marstall 1965 an die Zentralstelle für Wissenschaftliche Altbestände bei der Deutschen Staatsbibliothek abgegeben. Der Restbestand umfaßt rund 18.000 Bde, also nur etwa 15 Prozent des Vorkriegsbestandes. Die Verluste in den einzelnen Sachgruppen sind unterschiedlich. Relativ gut überliefert sind die Gruppen Staatsrecht, Verfassung und Verwaltung sowie Gemeindewesen und Geschichte.

[...]

Praktisch ohne jeden Buchbestand nahm die Ratsbibliothek noch im Sommer 1945 ihre Tätigkeit in ihr zugewiesenen Räumen des Ermelerhauses auf, wodurch sie erstmals vom Sitz der Verwaltung getrennt wurde. Sie befand sich dort in unmittelbarer Nähe zu der im Juli 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht gegründeten Bergungsstelle für Bibliotheken und Archive, aus der ihr herrenlos gewordene Buchbestände in großer Zahl zuflossen. Dieser Umstand und die steigende Zahl von Mitarbeitern veranlaßten die Bibliotheksleitung vor allem in Anbetracht der Tatsache, daß die Stadtbibliothek nach dem fast vollständigen Verlust ihrer Bestände weitgehend funktionsuntüchtig war -, den Status einer begrenzten Behördenbibliothek aufzugeben und dafür die Einrichtung zu einer repräsentativen Zentralbibliothek für die Stadt Berlin anzustreben.

Wenn sich auch schnell zeigte, daß dieses Ziel nicht zu erreichen war, kam es doch noch 1946 zur Aufstellung eines großen, alle Fachgebiete umfassenden Buchbestandes, für den auf der Grundlage der Dezimalklassifikation eine in 20 Sachgruppen tief gegliederte Systematik als verbindlich eingeführt wurde. Obwohl mit dieser Systematik die Grundlage für einen einheitlichen Bestandsaufbau gegeben schien, scheiterte dieser aus nicht mehr feststellbaren Gründen. Es blieb bei zahlreichen nebeneinander bestehenden Bestandsblöcken, deren Vereinheitlichung ebenso mißlang wie ihre Erschließung.

Neben aktuellen Erwerbungen und Entnahmen aus dem Bergungsgut wurde diesem zunehmend als Fachsammlung bezeichneten Bestand die 1949 aufgelöste Verwaltungsbücherei eingefügt, die als besondere Einrichtung des Magistrats seit 1945 bestanden hatte. Die besonderen räumlichen Verhältnisse im Ermelerhaus dürften erklären, daß sich ein ursprünglicher Lesesaalbestand seit Anfang der fünfziger Jahre zu einer zweiten Fach-Handbibliothek oder einer sogenannten Neuen Fachsammlung entwickelte. Seit Mitte der fünfziger Jahre wurde der nunmehr Alte Fachsammlung genannte Grundbestand nur noch in Einzelfällen vermehrt. Er umfaßte 1993 rund 13.400 Bde, unter denen sich wenig ältere Literatur befindet. Zum 18. Jh zählen 3 deutsche und zum 19. Jh 218 deutsche Titel. Die sogenannte Neue Fachsammlung entwickelte sich seit Mitte der fünfziger Jahre mehr und mehr zu der eigentlichen Behördenbibliothek für den auf das Gebiet von Ost-Berlin beschränkten Magistrat. Sie erfüllte diese Funktion bis zum Jahre 1990. Der 1993 gezählte Bestand von rund 35.000 Bdn enthielt keine älteren Titel.

[...] Die nach 1945 verfügte Unterstellung der Ratsbibliothek unter die Abteilung Volksbildung des Magistrats wurde 1950 aufgehoben. Nach einer kurzen Zuordnung zur Abteilung Verwaltung und Personalpolitik war seit 1952 die Abteilung Allgemeine Verwaltung zuständig. Im Jahre 1955 wurde die Ratsbibliothek als Fachabteilung der Berliner Stadtbibliothek angeschlossen. Nach dem Abbruch des Ermelerhauses erhielt sie 1966 provisorische Räume im Marstall, bis ihr 1968 in dessen Quergebäude endgültige Benutzungs- und Magazinräume zugewiesen wurden.

Die im Sommer 1945 von Mitarbeitern der Ratsbibliothek geborgenen herrenlosen Bestände der Bibliothek des Reichswirtschaftsministeriums wurden kurze Zeit danach von der sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Als Ersatz wurden noch 1945 wesentliche Teile der Bibliothek des ehemaligen Preußischen Ministeriums des Innern übernommen und im Ermelerhaus aufgestellt. Obwohl diese Bibliothek durch gedruckte Kataloge ausgezeichnet erschlossen war, erfolgten gleichwohl rücksichtslose Eingriffe in diesen Restbestand. Es wurden aus ihm nicht nur große Mengen Literatur der dreißiger Jahre auf der Grundlage der sogenannten " Leipziger Liste" ausgesondert und wahrscheinlich vernichtet; es kam auch zur Entnahme zugunsten anderer Abteilungen (Berlin-Brandenburg, Mehring-Bibliothek) und der Ausgliederung aller Zeitschriften, Gesetzblätter und Parlamentspapiere."

Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.
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